Rock’n’Roll
In den USA der bewegten 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts war Lindy Hop eine verbreitete Tanzform. Der akrobatische Tanz wurde vornehmlich in „schwarzen“ Tanzlokalen zur Swing-Musik getanzt. Die Tanzpartner halten sich nur an einer Hand gefasst, während die andere vor und zurück schwingt, immer bereit, den Partner zu fassen und durch die Lüfte segeln zu lassen. Diese feurige Kombination aus Swing und Lindy Hop entwickelte sich mit den Jahren weiter und begann sich schliesslich in verschiedene Genres aufzuspalten – es entstanden der Boogie-Woogie, der Jitterbug, der Jive und als wohl bekanntestes Genre der Rock’n’Roll. Während sich im Musikbereich Grössen wie Elvis Presley dem Rock’n’Roll verschrieben, bewahrte der zugehörige Tanz die Akrobatik des Lindy Hops. Ansonsten führt die im schnellen Rhythmus der Musik ausgeführte und für den Rock’n’Roll typische „Kick“-Bewegung dazu, dass die Tänzer auch ohne Akrobatikeinlagen dem angestauten Bewegungsdrang nachgeben können. Rock’n’Roll ist denn auch kein Tanz um sich auszuruhen, sondern vielmehr eine Möglichkeit, dem eigenen Temperament wieder einmal freien Lauf zu lassen.
Der 6er Grundschritt ist der einfachere der beiden Grundschrittarten im Rock’n’Roll. Dem Namen entsprechend machen die Tänzer hier während eines Grundschrittzyklus sechs Bodenberührungen, die sich aus Vorwärts- und Rückwärtsschritten sowie den „Kick“- und „Setzbewegungen“ zusammensetzen. Der 6er Schritt weist noch starke Ähnlichkeiten mit dem Lindy Hop auf und ist damit besser als der 9er Schritt dazu geeignet, Anfänger an die Finessen des Rock’n’Roll Tanzes heranzuführen.
Der 9er Grundschritt ist der anspruchsvollere der beiden Rock’n’Roll Grundschrittarten und besteht aus neun einzelnen Bodenberührungen der Tanzenden. Die Schwierigkeiten entstehen hier in erster Linie durch eine deutlich präzisere Kick-Technik sowie der sogenannten „Kick-Ball-Change“, eine abgewandelte Form des Kicks die Gleichzeitig mit einer Laufbewegung verbunden ist und so das Überwinden von Distanzen ermöglicht, ohne die Kickbewegung zu unterbrechen. Der 9er Grundschritt stellt die Grundlage des modernen Turniertanzes im Rock’n’Roll dar.
Bis zum heutigen Tag ist der Song „Let’s Twist Again“ von Chubby Checker aus dem Jahre 1961 im kollektiven Gedächtnis von unserer Gesellschaft verblieben und wird immer wieder gern gespielt. Auch wenn sich der Song auf den Twist als Tanz bezieht, ist wahrscheinlich weniger bekannt, dass mit diesem weltweiten Hit die globale Bekanntheit des Twists erst begann. In den folgenden Jahren nach Checker‘s Hit hatte der viervierteltaktige Twist seine Blütezeit und wurde weltweit zu Rock’n’Roll Musik, Rhythm and Blues oder spezieller Twist Musik getanzt. In neuerer Zeit erlebte der Twist dank des Filmes „Pulp Fiction“ ein grosses Revival.
Eine Spezialität des Twists besteht darin, dass sich die Tanzenden nicht berühren, obschon es sich um einen Paartanz handelt. Vielmehr befinden sich die Partner einander gegenüber und tanzen mit drehenden Bewegungen der Fussspitzen und des Beckens sowie mit vielerlei weiteren frei gestaltbaren Tanzelementen.
Jugendlich und temperamentvoll präsentiert sich der Jive, dabei begeistert er aber mit dem ausgeprägten Rhythmus nicht nur die Jugend sondern alle Generationen auf dem Tanzparkett. Der Vier-Vierteltakt mit den betonten zweiten und vierten Taktschlägen animiert unmittelbar zum Tanzen und offenbart die Nähe des Jives zum Rock’n’Roll. Der Tanz ist geprägt von der klaren Aufteilung des Rhythmus‘: Die ersten drei Taktschläge formen den Ausgangspunkt für die typische „Seit-Schluss-Seit“-Bewegung, während im vierten Takt die Tanzfolge durch einen Wiegeschritt unterbrochen wird. Trotz der Zuteilung des Jives zu den Latin-Tänzen finden sich seine Ursprünge in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo er sich aus einer Mischung von verschiedensten Tanzrichtungen langsam entwickelt hatte und dann um 1940 seinen Weg nach Europa fand. Ende des Zweiten Weltkrieges durfte der Jive auch wieder in Deutschland getanzt werden, weil dieser während einer längeren Zeitspanne verboten war. Vor allem in England war die traditionelle Tanzwelt über diesen neuen Stil entsetzt. In den 70er Jahren erlebte der Jive unter dem Namen Rock’n’Roll eine Renaissance. Der Jive bringt robuste Lebensfreude zum Ausdruck. Er war der „Tobetanz“ der Vor-Beat-Generation, aus dem sich dann der akrobatisch-athletische Rock‘n‘Roll entwickelt hat.